Dr. Christian Weißenberger, Spezialist für Radioonkologie & Strahlentherapie in Freiburg, lernte ich in der gemeinsamen Arbeit bei YesWeCancer kennen. 

Nach meiner Sat1 Sendung im Februar 2022 zum Thema „Ich bin schön – Leben mit Krebs“ über YesWeCancer, kamen wir in Kontakt und kooperieren seither. Des Weiteren treten wir in Podiumsdiskussionen zu den Themen, Krebs und Zukunftsmedizin auf. 


Bedeutung von Radioonkologie & Strahlentherapie

Ich steige in unser Gespräch jetzt gleich mit einer konkreten Frage ein, von der ich weiß, dass sie viele Patienten beschäftigt: Was hältst du von regelmäßigen Mammographien?

Die regelmäßigen Röntgenstrahlen und auch die Quetschungen der Brust werden immer wieder diskutiert: ob das schädlich sein kann. Letztlich muss das jede Patientin für sich entscheiden.

Ich habe mich irgendwann dagegen entschieden und lasse stattdessen eine Ultraschalluntersuchung durchführen – das ist allerdings eine Privatleistung, wenn man kassenärztlich versichert ist.

Wie ist dazu deine Meinung?

Ich bin da ein bisschen gespalten, weil es dazu zum einen natürlich klare Leitlinien gibt, die auf großen Studien fußen. Es ist mit Sicherheit so, dass der Weichstrahl, den man bei der Mammographie gibt, nicht unproblematisch ist.

Es gibt auch Modellrechnungen, mit welcher Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit damit sogar auch was ausgelöst werden könnte – das kann man nicht ganz ausschließen. Insofern ist auch dieser Einsatz von Strahlung sehr wohl zu überlegen.

Aber weil damit jedes Jahr tausende Brustkrebsfälle entdeckt werden, wird in der Vorsorge zu Recht die Mammographie empfohlen. Beim Stichwort Quetschungen ist natürlich die Frage, was macht einem Schmerzen und ist unangenehm.

Ich gehe mittlerweile davon aus – und das basiert auch auf Studien –, dass eine MR-Mammographie, also die, die mit dem Kernspin läuft, so wie wir das hier im 3-Tesla mit einer speziellen Mama-Spule anbieten, irgendwann der Goldstandard ist.

Man will es natürlich nicht so streuen, weil es von den Kosten her alles explodieren lassen würde. Aber fassen wir die Fakten zusammen: Es macht keine Strahlenbelastung.

Du meinst ein MRT?

Ja, es ist genau wie ein MRT, es macht auch keinen Quetschungen und ist ein sehr gutes diagnostisches Verfahren – vielleicht sogar das beste unter den drei Verfahren Mammosonographie, klassische Mammographie und eben MR-Mammographie.

Es gibt durchaus noch eine CT-Mammographie, die führt so ein bisschen ein Schattendasein, aber wenn ich den Aspekt der Strahlendosisreduktion sehe und den der maximal guten diagnostischen Qualität, kann man eigentlich nur hoffen, dass die Krankenkassen demnächst sehr viel großzügiger werden, was die Bezahlung der MR-Mammographie angeht.

Im Moment wird sie in der Rezidivsituation und bei komplexen Situationen bezahlt – und wenn alle anderen Verfahren scheitern. Aber sie sollte eigentlich großzügiger gehandhabt werden. Um trotzdem eine maximale diagnostische Sicherheit zu bekommen, ist es bei vielen Frauen notwendig, dass ich alle drei Verfahren durchführe.

Die Mammosonographie ist hingegen sehr gut, wenn die Leitstruktur eine zystische ist, mit Flüssigkeit. Es ist zwar eher selten der Fall, dass sich in der Brust hinter einer Zyste ein Tumor verbirgt – aber alles, was mit Flüssigkeit zusammenhängt, sehe ich bei einer Ultraschalluntersuchung einfach am besten. Wenn Kalkspritzer die Leitstrukturen sind, dann ist die klassische Mammographie das beste Verfahren, weil sie Kalk am besten und schärfsten darstellt.

Eine Zwischenfrage: Wenn man regelmäßig eine sonographische Darstellung durchführen lässt – du sagst, man erkennt hier besser die Flüssigkeit –, würde man auch Kalkablagerungen besser erkennen?

Oder bräuchte man ein anderes Bildgebungsverfahren, um es vorteilhafter darstellen zu können?

Gibt es hier Unterschiede?

Das kommt auf die Größe an. Die diagnostische Sicherheit zur Identifikation von Kalkstrukturen ist bei der klassischen Mammographie einfach wesentlich höher. Man sieht hier natürlich das Gewebe selbst, wie es sich darstellt – nicht nur Zysten und Flüssigkeit.

Was bei der Mammosonographie immer bedeutsam ist, das hat sich in den Studien auch klar gezeigt, das sie abhängig von demjenigen sind, der untersucht.

Also wenn du sie beispielsweise regelmäßig durchführen lässt, ist es wichtig, dass es immer der gleiche und ein guter Sonographeur ist, weil hier auch Erfahrung eine große Rolle spielt. Und dann geht es natürlich noch schnell, hat keine Strahlenbelastung und auch keine magnetische Belastung.

Es ist, wenn man so will, eine Schallbelastung, die wir nicht wahrnehmen, weil sie in Frequenzbereichen passiert, die wir wahrlich nicht hören können.

Sofern ist es natürlich ein sehr schonendes Verfahren, aber wenn es natürlich um unklare Befunde geht, muss man breit ansetzen und da – finde ich – sollte der Einsatz der MR-Mammographie großzügiger gestaltet sein.

Gibt es einen zusätzlichen Unterschied zwischen Kassen- und Privatversicherungen – du sagst, gezahlt wird die MR-Mammographie nur bei Rezidiven?

Ja. Bei den Kassen wird es nur in der Rezidiv- und bei superkomplexen Situationen, wenn alles andere versagt hat, bezahlt. Also wenn andere diagnostische Verfahren versagen und nichts angezeigt haben.

Bei den Privatversicherten ist es meines Wissens so, dass sie alle eine MR-Mammographie sofort bekommen können. Ich habe durchaus Patienten, die das dann auch regelmäßig mit einem oder sogar mit allen drei Teslageräten, die wir hier haben, machen.

Das Verfahren mit der speziellen Spule ist nochmal eine Ecke besser, es ist, wenn man so will, der allerhöchste Standard. 

Das hört sich ja super an. Ich mache das ja schon viele Jahre so. Das habe ich damals einfordern müssen und zum Teil auch selbst.

Ich wollte eine ordentliche Sonographie machen lassen – vor allen Dingen mit meiner damaligen dritten Diagnose auch im Schlüsselbeinbereich und am Hals. Üblich ist vermutlich nur die Sonographie über der Brust und Achselhöhle.

Um den Ärzten meine Wünsche besser mitteilen zu können, welche Bereiche ich auch gerne kontrollieren lassen möchte, habe ich mir die Anatomie der Lymphknoten angeschaut.

Ich finde es wichtig, dass Patienten und Patientinnen mutig nachfragen und einfordern, wenn es die Angst lindern kann.

Was denkst du darüber?

Das ist natürlich der Fragenkomplex, wie steuere ich meinen Arzt am elegantesten? Das machst du schon ganz clever, wenn du sagst: „Ich fühle mich dann wohler, machen Sie das bitte.“

Das ist natürlich für den Arzt viel motivierender, als wenn man frägt: „Machen Sie das nicht?“

Ja, damit sind wir auch schon beim Thema Arzt-Patienten-Kommunikation.

Genau, das geht in meine Richtung. Wir Ärzte müssen noch viel lernen, wie wir mit Patienten kommunizieren. Aber tatsächlich ist natürlich auch die Kommunikation vom Patienten zum Arzt nicht ganz unwichtig. Wie kann das in beide Richtungen optimiert werden?

Und bei der Mammosonographie – also der Ultraschalluntersuchung der Brust – ist es tatsächlich so, dass es nicht nur einen guten erfahrenen Sonographeur und ein gutes Gerät braucht, sondern auch die Mitarbeit der Patientin.

Sie sollte sich entsprechend bewegen und hilft so quasi mit, dass die Bilder gut werden. Aber das Entscheidenste ist eigentlich, dass der liebe Kollege oder die liebe Kollegin Zeit braucht und diese auch hat.

Die MRs, die ich erst gemacht habe, haben in der Regel insgesamt eigentlich immer länger gedauert als die Sonografie.

Das liegt daran, dass die MR-Untersuchung per se durch diese verschiedenen Messungen und die unterschiedlichen Sequenzen, die alle ‚gefahren‘ werden müssen, gerne mal eine halbe oder gar dreiviertel Stunde dauern.

Beim 3-Tesla-MR geht es bei gleicher Auflösung ein bisschen schneller, aber es braucht halt Zeit. Wenn ein ärztlicher Kollege Dich kennt, dann ist bei MR oder auch bei der Sonographie etwas schneller – weil er eben weiß, wo er hinschauen muss.

Und trotzdem gilt gerade auch hier: Die Ärztin oder der Arzt brauchen Zeit und Muße für einen guten Befund. 

Bei meiner dritten Diagnose wurde mir eine CT-Untersuchung mit Kontrastmittel vorgeschlagen.

Nachdem ich nach meiner Reanimation eine Jodallergie entwickelt habe – und Jod ist ja Bestandteil des Kontrastmittels –, wurde meine Frage zu einer Alternative verneint. Zumindest gab es keine vergleichbare – ließ man mich wissen.

Ich bin nun aber sicherlich nicht die einzige Patientin, die eine Allergie entwickelt und sich Gedanken zu der sehr hohen Strahlenbelastung gemacht hat und macht.

Daraufhin wurde mir vorgeschlagen, mich drei Tage lang stationär mit Kortison zu behandeln, um die Untersuchung vorzubereiten und dann durchführen zu können. Dies lehnte ich ab, um meinen Körper und Immunsystem nicht zusätzlich zu belasten und zu schwächen.

Ich suchte selbst nach einer Alternative. In meinem Research fand ich damals, 2009, die Möglichkeit eines PET-CTs, das nur bei Lungenkrebspatienten von der Krankenkasse bezahlt wurde.

Wie ist das heute?

Das ist heute noch ähnlich. Leider, muss man sagen. In Deutschland wird die wichtige PET/CT-Untersuchung super restriktiv gehandhabt.

Dabei ist sie in der Onkologie oft entscheidend für eine richtige Therapiewahl.

Das hätte ich nicht gedacht. Ich habe damals 1.500 € gezahlt. Dem damaligen Radiologen erzählte ich meine Geschichte, zuvor bekam er einen Arztbrief.

Ich ließ ihn auch wissen, dass ich intuitiv damit begonnen hatte, mich anders zu ernähren. Entschuldige bitte, aber Radiologen sind manchmal mit Bulldozer zu vergleichen, deshalb hatte ich mich schon auf eine bestimmte Reaktion gefasst gemacht.

Ich lasse mich von derartigen Aussagen schon länger nicht mehr beeinflussen, weil einige davon einen wirklich ins Nirwana schießen könnten.

Aber dieser Radiologe reagierte zu meinem Erstaunen anders und meinte, wenn er meine Geschichte nicht kennen würde, würde er nach der dem Sichten der Bildgebung den Tumor für ein Lipom halten, weil die Stoffwechselaktivität so gering sei.

… minimal… Richtig. Bei ‚Bulldozer‘ werden die Radiologen etwas schlucken.

Er sagte, es sei sehr erstaunlich und dass die Ernährung doch irgendeine Rolle spielen könne. Und er ermunterte mich, so weiterzumachen.

Das hat mich damals sehr motiviert und gestärkt daran festzuhalten. Er gab mir noch einen weiteren Tipp, nämlich ein Angio-MRT, um die Gefäße auch für die OP entsprechend gut darstellen zu können. 

… wo es sitzt.

Bestrahlt wird aber nicht nur im Rahmen der Tumortherapie oder -reduzierung, sondern auch wenn Metastasen zum Beispiel Schmerzen verursachen.

Kann eine Bestrahlung quasi auch eine Schmerzbehandlung sein?

Die grundsätzliche Indikation bei der palliativen Bestrahlung sind Schmerzen, eine Frakturgefahr oder bestehende oder drohende Neurologie.

Wenn irgendetwas wächst, drückt es entweder auf Schmerzrezeptoren, die dann Schmerzen verursachen, weswegen es manchmal auch nur darum geht, einen Millimeter zu schmelzen – und auf einmal tut es nicht mehr weh. Wenn Schmerzrezeptoren unter Druck geraten, dann feuern diese plötzlich.

Das ist dieser fürchterliche Tumorschmerz, den Betroffene haben und den man sich als Nicht-Betroffener überhaupt nicht vorstellen kann. Und außerdem gibt es durch die Bestrahlung noch eine direkte Anti-Schmerzwirkung.

Die macht man sich auch zunutze, wenn beispielsweise bei Knochen eine Frakturgefahr droht, wenn – veinfacht gesagt – ‚Löcher’ im Knochen sind. Dabei will man natürlich nicht nur das Weiterwachsen dieser Metastasen im Knochen stoppen, sondern mit der Bestrahlung auch eine Aktivierung der Osteoblasten der knochenaufbauenden Zellen im Randbereich erreichen – dann wächst das ‚Loch‘ nämlich zu.

Der Knochen ist ja ein wunderbares Leichtbauphänomen. Nach einer Strahlentherapie sieht der Knochen dann ein bisschen plump zugewachsen aus, aber er hat seine Stabilität wieder. Und nach einer gewissen Zeit, wenn keine Therapie erfolgt, schmerzt der Knochen eben.

Und der dritte Punkt – ein weiterer Grund zu bestrahlen –  ist, wenn zusätzlich Neurologie droht oder vorliegt.

Manche Patienten entscheiden sich komplett gegen die Schulmedizin.

In meinen Coachings gibt es unterschiedliche Anliegen und Ängste. Manche lehnen alles ab, manche möchten einen Mix und andere wollen das volle Programm.

Ich versuche dabei herauszufinden, was die Beweggründe für den jeweiligen Weg sind und binde gegebenenfalls mein Ärztenetzwerk mit ein – wie dich beispielsweise, aber auch Onkologen.

Wir besprechen den Fall, wenn ein Patient alles ablehnt. Häufig bleibt die Aussage: bei einem fortgeschrittenen Tumorstadium wenigstens zu bestrahlen.

Das übermittle ich dem Patienten und wir entscheiden uns oftmals, zusammen den Schritt zu gehen. Aufklärung ist immer wichtig.

Kannst du dazu irgendetwas sagen? Warum genau ist die Bestrahlung so wichtig? Wichtiger als die Chemotherapie?

Was die Strahlentherapie in schwierigen, komplexen und letztlich leider auch fortgeschrittenen Stadien erreichen kann, ist, dass man eben die Schmerzen nehmen kann – und zwar relativ schnell. Oder, wenn die Frakturgefahr behoben ist, man die Mobilität erhalten kann.

Mobilität ist ein so wichtiges Lebensqualitätskriterium, das kann man sich als Nicht-Betroffener gar nicht vorstellen. Und die kann man – wieder ein Streitthema – aber relativ gut erhalten.

Die Chemotherapie ist ja leider Gottes in den späten Phasen – wenn alle anderen Chemotherapien nicht mehr wirken, weil die Resistenzmechanismen bei den Tumorzellen angesprungen sind – nicht mehr so wirksam.

Das liegt unter anderem daran, dass ihre Wirkung auf die Tumorzellen aufgehört hat, die Chemotherapie macht aber natürlich dennoch Nebenwirkungen.

Und wir wissen ja, bei Brustkrebs gibt’s die first line, second line, third line – inzwischen sind wir bei einigen Formen schon bei der fünften Linie angekommen. Und sind dann alle chemotherapeutischen Optionen ausgeschöpft, muss man überlegen: Was kann dieser Patientin einen echten Benefit bringen? Was kann ihr nutzen? Was kann ihr helfen?

Schwerpunkte einer palliativen Therapie sind dann: Vermeidung von Schmerzen und Übelkeit sowie Erhalt der Mobilität. 

Aber wie ist es bei einem Patienten, der oder die die Erstlinientherapie ablehnt.

Empfiehlt sich dann eine Strahlenbehandlung?

Das kommt auf den Einzelfall an. Grundsätzlich ist eine Operation und eine Strahlentherapie das lokale Therapieverfahren. Ich sage immer: Sitzt an einer Stelle das Problem, dann gehen wir dort lokal vor. Leider können einen Millimeter daneben – also dort, wo wir nicht lokal therapieren – die Tumorzellen überleben.

Also muss ich als Strahlentherapeut bestrebt sein, dass ich mit meinem Strahlenfeld alles erfasse. Kann ich das nicht, ist zusätzliche eine Chemotherapie indiziert. Eine systemische Therapie wirkt eben ‚vom Scheitel bis zur Sohle‘, aber an jedem Ort eben leider nicht so intensiv wie eine lokale Therapie. Man kann nur entweder flächig mit niedriger Effizienz oder fokussiert mit hoher Effizienz vorgehen – anders lässt es sich nicht kombinieren.

Man spricht in der Tumorbiologie daher auch von der ‚räumlichen Kooperation‘. Man arbeitet sozusagen zusammen: Das eine deckt die Fläche ab, das andere den umschriebenen Bereich.

Daher muss man immer überlegen: Kann man sie wirklich ergänzen, ersetzen oder nicht? Wenn ich beispielsweise das Problem habe, dass jemand ganz viele kleine Lokalisationen hat, die alle nicht einer Strahlentherapie zuführbar sind, dann ist die Chemotherapie als systemische Therapie gefragt und fast unersetzlich.

Je fokussierter das Problem ist, desto eher würde ich von vornherein auf eine Strahlentherapie setzen. Aber in den Köpfen der Menschen sind natürlich die drei Säulen Operationen, Strahlentherapie, Chemotherapie gleich bedeutend – als ob man dann halt nur eine davon nehmen würde.

Ob das im Einzelfall als sinnvoll erachtet wird oder nicht, kann nur im individuellen Fall geklärt werden. 

Viele Patienten haben Angst, dass die radioaktive Bestrahlung sie am Ende noch kränker macht, als sie davon Nutzen tragen.

Was denkst du darüber? 

Dem Einsatz jeder Therapie geht eine Abwägung von Nutzen und Risiken voran- das gilt auch für die Strahlentherapie.

Dank moderner Strahlentherapietechniken kann die Strahlenbelastung an den gesunden Organen oder Geweben sehr klein halten werden.

Genau das meine ich – Also die Angst, ob es schwerste Folgeerkrankungen geben kann.

Ich denke – Stichwort „Aufklärung“ –, Ziel einer guten Aufklärung ist, dass ich als Arzt nach bestem Wissen und Gewissen sage,  was ich von meiner Behandlung an Effekten, an Wirkungen, an Benefit für den Patienten oder die Patientin erwarte.

Und sie ebenfalls nach bestem Wissen und Gewissen über die Risiken, die akuten Folgen und Spätfolgen aufkläre, sodass der oder die Patient:in dann sagen kann: Für mich passt das – oder nicht. Ich kann das nicht beurteilen.  

Ist die Angst vor Nebenwirkung oder Spätfolgen einer Bestrahlung berechtigt?

Was könnte passieren? 

Es gibt eine seltene Form eines Angiosarkoms, von dem bekannt ist, dass es im Bestrahlungsfeld zum Beispiel nach Brustkrebsbehandlungen auftreten kann.

Um es vorauszuschicken: Verwirrenderweise ist, falls es operativ nicht entfernt werden kann, auch wieder die Strahlentherapie die Therapie der Wahl. Es kommt wirklich sehr, sehr selten vor.

Wenn du im Netz oder bei Medline über diese Erkrankung recherchierst, dann steht bei allen Studien – Studien kann man fast nicht betreiben, weil es zu viel selten auftritt –, bei einer Einzelfallbeschreibung immer vorne dran, dass das, was jetzt durch die Strahlentherapie ausgelöst wurde, auf keinen Fall nicht Anlass sein sollte, eine Strahlentherapie abzulehnen. Einfach, weil es so selten vorkommt.

Wir wissen auch, dass es bei Chemotherapie Zweit-Malignom-Risiken gibt, weil auch Chemotherapien natürlich mutagen und teratogen sind – das hängt sozusagen mit ihrer ‚Kernkompetenz‘ zusammen. Sie greifen tief in den Zellstoffwechsel ein.

Ich denke, es geht wirklich, wie ich vorher gesagt habe, um die Aufklärung: Dass man diese Themen offen anschneidet. Und wenn jemand tatsächlich sagt. „Selbst wenn nur eine von 100.000 Patientinnen die Nebenwirkung erleidet – ich möchte es nicht erleiden“, dann ist eine Therapie leider nicht möglich.

Gibt es noch etwas aus deiner ärztlichen Sicht, von dem du sagen würdest, das ist etwas, was Sarah anders gemacht hat, und vielleicht anderen Patienten helfen könnte?

Ich glaube, dass Entscheidende, das dich stark gemacht und dich vielleicht auch diese wirklich schwere Erkrankungen überleben hat lassen, war – man kann das wirklich so sagen –, dass du das Heft auch ein Stück weit immer selber in der Hand gehabt hast.

Du hast mitgedacht, du hast überlegt, was du willst, du hast Sachen ausprobiert, von denen man natürlich jetzt nicht weiß, ob sie entscheidend waren oder nicht. Aber du hast dich aktiv in deine Therapie eingebracht.

Du hast die Diskussion, den Konflikt mit deinen Ärzten nicht gescheut – bis sogar dazu, dass es auch einmal richtig im Gebälk gekracht hat.

Aber das ist etwas, was mir gezeigt hat: Du warst mit Herzblut, mit Emotionen dabei, du bist nicht einfach mitgeschwommen wie viele andere Patienten oder Patientinnen.

Ich glaube, wenn man daraus eine Lehre ziehen kann, dann die: die Therapie bei einer Erkrankung ist etwas, was aktiv vom Arzt, aber auch aktiv von der Patientin, dem Patienten geleistet oder geschafft werden muss – es ist ein gemeinsamer Weg.

Und auch wenn es für uns Ärzte bedeutet, dass Patientinnen wie du anstrengender als andere sind, weil sie mehr Fragen stellen und manchmal dickköpfiger sind, oder manchmal auch Dinge tun, bei denen wir Ärzte sagen: Ja, also schulmedizinisch weiß ich nicht, ob das Sinn macht.

Egal, du hast die Dinge getan, die für dich in dem Moment richtig waren, die dir gut getan haben und diesen Wert, den sollte man niemals unterschätzen.

Sehr schön. Gibt es etwas, was dir in der Arzt-Patienten-Kommunikation wichtig wäre?

Von der Patientenseite her ist es oft so, dass wir immer ganz genau wissen, wie sich die Ärzte, die Onkologen verhalten, was sie machen und sagen sollten, damit mehr Empathie, mehr Mitgefühl und mehr Verständnis herrscht- und das ist gut so.

Ich glaube, dass es als Patient auch wichtig ist, die Arztseite besser zu verstehen, was auch bedeutet, das ganze System besser zu durchblicken: in welchem Kontext die Ärzte arbeiten und unter welchem Druck sie sich im Klinikalltag und des Gesundheitssystems sie ausgesetzt sind.

Und dann sind Ärzte auch Privatpersonen, die natürlich auch private Themen haben, genauso wie wir alle. Dass bei manchen Aussagen nichts Böses dahinter stecken muss, manchmal vielleicht einfach eine gewisse Unbeholfenheit oder Unerfahrenheit vorhanden ist.

Ich arbeite ja mit beiden Seiten, und mir ist wichtig, dass beide Seiten verstanden werden und mehr Bewegung und Verständnis entwickeln kann.

Was würde euch oder dir das Leben leichter machen? 

Ganz wichtig ist natürlich das gegenseitige Verständnis – das hast du ja auch gerade gesagt. Auch Ärzte sind Menschen, die manchmal Sorgen haben.

Und die ganze Gesundheitspolitik sorgt ja dafür, dass wir im ärztlichen Bereich zusätzlich mit Dingen beschäftigt werden, von denen ich finde, dass sie bei einem Arzt nichts zu suchen haben.

Aber die werden uns halt aufoktroyiert und jetzt kommt eine sozusagen gesundheitsökonomische Schelte mit einem politischen Einschlag: Die Krankenkassen haben es geschafft, sich in den letzten Jahren in ihrer Kommunikation als Anwalt der Patienten und Patientinnen aufzuschwingen – das sind sie aber nicht!

Die Krankenkassen haben ganz klare ökonomische Interessen.

Diese sollen mir nicht mit Moral kommen, die haben eine ganz andere Agenda, aber sie haben sich so gegeben. Wir Ärzte und Ärztinnen wurden dagegen viel zu sehr – auch in der Öffentlichkeit – in eine Oppositionsstellung zum Patienten gedrängt. 

Erstens sind wir Ärzte aus Fleisch und Blut und selber schneller Patienten, als wir „Bap“ sagen können. Zweitens sind wir nicht der Feind der Patienten und ich spreche hier für ganz viele Kollegen: Wir sind schlicht und ergreifend Freunde, wir versuchen das Beste für die uns anvertrauten kranken Menschen – eben alles, was machbar ist.

Und wenn das gegenseitige Verständnis noch dazukommt und man eine Kommunikationsebene findet, die geprägt ist von Offenheit und Ehrlichkeit, dann gewinnen beide Seiten.

Als ich beispielsweise selbst in der Verwandtschaft von Krebs betroffen war, habe ich erfahren, dass diejenige sich beim Pankreaskarzinom nicht nur bei mir Hilfe geholt hat, sondern auch bei einer Frau, die spirituell gearbeitet hat. Jedenfalls habe ich da gelernt, dass diese Frau einfach zugehört hat. Meine Verwandte hat unheimlich viel Kraft entwickelt, einfach weil ihr jemand zugehört hat.

Und bei der Gelegenheit habe ich auch erfahren, dass ganz viele meiner Patienten, die auch auf Station betreut hatte, auch bei ihr waren. Sie haben es nur nicht gewagt, mir das zu erzählen. Weil wir gelernt haben, darüber gar nicht erst zu sprechen: „Dann gehe ich halt mal zu einer Wunderheilerin, will das aber gar nicht kommunizieren“.

Nein, Offenheit, Ehrlichkeit, auch und gerade das sollte man mit uns Ärzten und Ärztinnen besprechen können! Ich packe doch keinen mahnenden Zeigefinger aus, wenn ich weiß, dass jemand es schafft, seine Probleme zu kommunizieren – das ist ja erst mal ein Gewinn.

Falls ich aber mitkriegen sollte, dass Therapiemethoden durchgeführt werden, die ich nicht gutheiße, dann will ich das besprechen können.

Aber ich werde es niemals verurteilen. Offen und ehrlich in beide Richtungen zu kommunizieren, ist das Einzige, von dem man hoffen kann, dass es sich zukünftig noch verbessert.

Wie kann man das verbessern?

Wir haben jetzt sicherlich eine neue Generation von Ärzten. Das sehe ich bei vielen jungen ärztlichen Kolleginen und Kollegen – und teilweise auch schon in den Chefpositionen.

Langsam setzt sich dort eine andere Denke durch.

Wird es Teil des Studiums: die Kommunikation?

Ja, das wird zum Teil jetzt auch besser unterrichtet, steckt aber immer noch ziemlich in den Kinderschuhen. Ich glaube, es ist auch eine gesellschaftliche Strömung, die jetzt bei meinen jüngeren ärztlichen Kollegen eine andere Denkweise bewirkt.

Früher, in den 1960er-, 70er-, 80er-Jahren, war beispielsweise der Professor unerreichbar. Der Gott, der dann mit seiner Entourage – das war ja ein hoch ritualisiertes Tun – dem Patienten quasi 50 Sekunden seiner wertvollen Zeit gegönnt hat.

Aber da hat sich Gott sei Dank sehr viel in der Gesellschaft getan! Die Hybris ist weg und die Ärzte sind erreichbarer für die Patienten und Patientinnen geworden. Und ich hoffe, dass diese Entwicklung weitergeht, sie unterstützt wird und sie nicht – was sich aber leider im Moment abzeichnet – durch ökonomische Zwänge wieder gestoppt wird.

Weil: Zeit für den Patienten zu haben, kostet eben Geld. Man kann in den Unikliniken zwar argumentieren, dass man den Ärzten viele ihrer Überstunden einfach nicht bezahlt. Aber dann finden wir bald keine Kollegen mehr, die – wie zu meiner Zeit üblich – beliebig viele Überstunden geschoben und sie am Schluss des Monats alle wieder gestrichen haben.

Das ist alles eine wichtige politische Diskussion: Was ist uns gute Medizin und eine gute Gesundheit wert.

Ein wunderschönes Abschlusswort, ich danke dir.

Bitte, sehr gerne.


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